Seit dem Tiefpunkt der Aktienmärkte im März – ausgelöst durch die Corona-Pandemie – sehen wir eine einzigartige Rally in den Indizes. Von einem Dax-Tiefststand bei ungefähr 8.200 Punkten ging es in nur drei Monaten zum aktuellen Jahreshoch bei circa 12.900. Damit lag der Dax kurzzeitig nicht einmal mehr 7 Prozent unter dem Allzeithoch. Dafür, dass wir uns in einer der schwersten Rezessionen befinden und die schlechtesten Konjunkturdaten seit Jahrzehnten erleben, ist das schon sehr beeindruckend. Für viele Anleger, egal ob Private oder Institutionelle, handelt es sich deshalb auch um eine verschmähte Rally. Der einfache Grund dafür ist, dass die meisten, die lange dabei sind und viel Erfahrung haben, einfach nicht damit gerechnet haben.
Hausfrauen-Rally bzw. Robinhood-Hausse
Diesmal ist alles anders – diesmal sind die Profiteure nämlich die Börsen-Neulinge. Millionen von Depots wurden in den letzten Monaten eröffnet. Dutzende von Kleinanlegern haben die Tiefs an den Aktienmärkten genutzt, um groß einzusteigen. Es handelt sich um die Generation der sogenannten Millennials. Sie stehen für eine neue Art der Hausfrauen-Rally – die Robinhood-Hausse.
Die alten Börsenhasen unter Ihnen werden wissen, dass diese Rallys wenig Substanz haben. Erstens hat eine Privatinvestoren-Rally noch nie gut geendet. Zweitens sind Millionen von Spekulanten am Werk, die zum ersten Mal in ihrem Leben eine Aktie gehandelt haben. Was denken Sie – handelt es sich bei den Spekulanten um starke Hände oder um zittrige Hände? Es macht eher den Eindruck, als ob das Börsen-Casino ein neues Level erreicht hat. Pleiteunternehmen wie Hertz, JC Penney und Whiting Petroleum stehen sinnbildlich für die aktuelle Situation. Wie Kostolany so schön gesagt hat: “Alles hängt davon ab, ob mehr Dummköpfe als Papiere da sind oder mehr Papiere als Dummköpfe.”
Zudem wurde es den Börsenneulingen sehr einfach gemacht. Zum einen haben die US-Broker ihre Gebühren auf null gesenkt. Zum anderen ist es sehr einfach an Kredite zu gelangen. Auch die Broker selbst gewähren immer höhere Kredite auf die Depots. Das führt dazu, dass Kleinanleger ihre Positionen immer weiter hebeln können. Darüber hinaus verschenkt der Staat Schecks. Was für ein wunderbares Szenario, um an der Börse zu spekulieren. Das Problem dabei ist nur, dass Ende Juli die staatlichen Zahlungen in den USA wegfallen und weiterhin eine historisch hohe Arbeitslosigkeit herrscht.
Konjunkturdaten und die Erholung der Wirtschaft
Ja, viele Optimisten betonen immer wieder, dass die Börse die Zukunft einpreist. Das ist auch vollkommen richtig. ABER…welche Zukunft soll das sein? Schaut die Börse mittlerweile 3,4 oder 5 Jahre voraus? Es kann mindestens ein bis zwei Jahre dauern, bis sich ein Großteil der Wirtschaft erholt hat. Insbesondere Branchen wie der Tourismus, Events und Veranstaltungen, Gastronomie und der Einzelhandel werden noch länger mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie zu kämpfen haben.
Wenn man sich die Konjunkturdaten anschaut, dann muss man feststellen, dass die Erholung langsamer voranschreitet, als es viele gehofft haben. Reihenweise Analysten schrauben die Gewinnerwartungen der Unternehmen wieder nach unten. Auch die OECD und er IWF mussten ihre Konjunktur-Prognosen bereits nach unten korrigieren und geben ein düsteres Bild zur globalen Konjunktur ab. Die EZB und die FED sehen es ähnlich und sprechen davon, dass die Erholung noch lange andauern könnte.
Fiskal- und Geldpolitik
Das Argument, dass die Märkte mit Liquidität geflutet werden, hat nur einen positiven Effekt, wenn es auch an die richtigen Stellen gelangt. Zwar hilft die Liquidität die Märkte – besonders die Aktienmärkte – zu stabilisieren, aber auf das Wachstum und die Investitionsbereitschaft der Unternehmen hat das bisher keine positive Auswirkung. Geldflutungen alleine sind demnach kein Allheilmittel. Die Notenbanken können nämlich auch keine Jobs drucken. Zudem liegt das Konsumverhalten noch weit entfernt von dem Niveau vor Corona. Die Billionen der Fiskal- und Geldpolitik sind in erster Linie dafür da Löcher zu stopfen. Außerdem lässt es die Schuldenblasen nur weiter anwachsen. Entsprechend schreitet die Zombifizierung der Unternehmen und ganzer Wirtschaften unaufhaltsam voran.
Anstatt das Geld sinnvoll zu nutzen, wie zum Beispiel für Investitionen, Innovationen oder Infrastruktur-Projekte, versickert es im Finanz- und Wirtschaftskreislauf. Laut einer Umfrage des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) haben 38 Prozent der Unternehmen im Zuge der Corona-Krise ihre Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten reduziert bzw. sogar ganz gestoppt. Folglich hat das drastische Auswirkungen für die Innovationskraft und die Zukunftsfähigkeit der hiesigen Unternehmen. Wo soll denn das benötigte Wachstum herkommen, das die Aktienmärkte bereits einpreisen?
Bewertungen der Aktienmärkte
Die Bewertungen der Aktienmärkte sind fernab von Gut und Böse. Das aktuelle KGV des deutschen Leitindex liegt bei 18,03 (Stand 27.06.2020), damit wurde der höchste Stand seit über zehn Jahren erreicht. Das PE-Ratio (KGV) des S&P500 liegt derzeit bei einem Wert von knapp 22. Einen derartig hohen Wert gab es zuletzt in der Finanzkrise 2008. Aber von dem Hoch aus der DotCom-Blase (PE 44) ist der Wert noch weit entfernt. Nichtsdestotrotz zeigt das Shiller PE Ratio des S&P500 einen erschreckend hohen Wert an, dieser liegt bereits bei 28,6. Damit befindet er sich in Sphären wie zur Weltwirtschaftskrise von 1929. Auch der viel zitierte und beobachtete Buffett-Indikator steht auf einem Rekordhoch.
Weitere Einflussfaktoren auf die Aktienmärkte
Ein weiteres Risiko für die Aktienmärkte ist die anstehende US-Präsidentschaftswahl. Geht der Zuspruch für Trump weiter zurück und fällt sein Umfragewert zunehmend, dann steigt auch die Unsicherheit. Der Verlust der Wahl könnte dazu führen, dass die Steuerreform zurückgenommen wird. Dies würde sich negativ auf die Unternehmensgewinne auswirken. Zudem sind wir weltweit immer noch von der Corona-Pandemie betroffen. Gestern haben die USA den größten Anstieg der Corona-Zahlen seit dem Virusausbruch registriert. An einem Tag kamen über 45.000 Fälle dazu. Auch wenn in Europa mittlerweile die positiven Nachrichten überwiegen, besteht weiterhin die Gefahr einer zweiten Welle. Unsicherheiten mag die Börse gar nicht.
Fazit
Trotz einer langsamen Erholung der Konjunktur sind die Unsicherheiten und Gefahren nicht von der Hand zu weisen. All die genannten Punkte bestehen und können das Kartenhaus einfallen lassen. Das bedeutet nicht, dass die Aktienmärkte nochmal die März-Tiefs anlaufen, aber eine Korrektur ist jederzeit möglich und wäre entsprechend der jetzigen Situation nichts Ungewöhnliches. Ein Rückgang des Dax in den Bereich von 11.100 (38,2% Erholung) bis 10.000 (61,8% Erholung) würde das bullische Bild nicht einmal zerstören. Im Dow Jones sieht es ähnlich aus. Auch hier würde ein Rückgang auf ein Level von 22.500 Punkten in den aufsteigenden Trend reinpassen. Übrigens sind die kommenden Sommermonate nicht gerade dafür bekannt, die stärksten Börsenmonate zu sein.
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