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Nach dem schnellsten Sturz der Aktienmärkte in der jüngeren Geschichte in einen Bärenmarkt im Februar/März diesen Jahres, geht es in einer V-förmigen Erholung nun schon neun Wochen bergauf. Die Märkte preisen eine starke Erholung im Jahr 2021 ein, unterstützt von einer Geldflut ohnegleichen, die vor allem Alternativanlagen (Anleihen) uninteressant macht (Ausnahme Gold). Trotz der gegenwärtigen Entkoppelung von Wirtschaft und Börse orientiert(e) man sich langfristig immer an den Fundamentaldaten, sprich den Unternehmensgewinnen, doch wann schließt sich das Gap?

Aktienmärkte und ihre Bewertung

Auch wenn Leonhard Fischer im gestrigen FMW-Interview behauptet hat, dass es keine Märkte mehr gibt und auch nicht mehr Angebot und Nachfrage, so hat er zwar grundsätzlich recht, aber dennoch meiner Meinung nach doch etwas übertrieben. Klar sind die Anleihemärkte durch die Notenbanken gnadenlos manipuliert und man hat, wie ich schon seit zwei Jahren immer wieder feststelle, das Ungetüm TINA geschaffen. Aber natürlich gibt es weiterhin Angebot und Nachfrage, weil es Käufer und Verkäufer am Markt braucht, wo einer an steigende und der andere an fallende Notierungen glaubt. Aber die Macht der Notenbanken ist nicht unendlich und dass die Notenbanken unbegrenzt Geld drucken können und dies noch 100 Jahre lang, wie Fischer behauptet – nie und nimmer.

Auch wenn es Anlegern so vorkommt, als ob Aktienmärkte nichts mehr mit Wirtschaft zu tun hat, so werden Verzerrungen immer wieder korrigiert. Das Kapital sucht seit Jahrzehnten/Jahrhunderten unemotional nach Rendite – auch wenn Notenbanken zur Rettung der Staatsfinanzen und mittlerweile auch der Unternehmen die Anleiherenditen „kastriert“ haben und die Aktienmärkte als Anlageklasse zur Freude der oberen Anlegerklasse in extremer Weise unterstützen.

Doch ohne eine funktionierende Wirtschaft können die Aktienkurse nicht oben bleiben, da hilft alles Geld der Notenbanken nicht, ohne Steuereinnahmen bricht auch das Gemeinwesen irgendwann einmal zusammen. So gab es auf Jahressicht beim deutschen Leitindex noch nie Kurs/Gewinnverhältnisse der Unternehmen akkumuliert über 30 oder unter 8, die Extreme waren die Jahre 2000 und 2009, wo vor allem die Dotcom-Blase ins Auge stach, als die Aktienbewertungen auf fast das dreifache des historischen Durchschnitts gestiegen waren. Kurzfristig in Quartalen gibt es natürlich viel größere Bewertungs-Ausreißer – wie im zweiten Quartal des Jahres 2020 – in dem die Gewinne der größten deutschen Unternehmen geschätzt um bis zu 50 Prozent einbrechen könnten.

Dass die Notenbanken den Markt kaputt gemacht haben, das kann man so sehen – aber nicht, dass sie jeden Rückgang auffangen können. Auch wenn die durch Corona erzeugte Lage ein Sonderfall ist, hatten wir nicht trotz Notenbankinterventionen bereits drei Crashs beim Dax im letzen Jahrzehnt? Minus 32 Prozent im Jahr 2011, minus 30 Prozent 2015/16 und minus 39 Prozent im Februar/März 2020. Auch wenn sich die Notenbanken im Kampf gegen Covid-19 weltweit verschworen haben und unter Führung der Fed (die wegen der US-Wahl im November noch eine Schippe drauf gelegt hat) die letzten Hemmungen (z.B. Kauf von Junkbonds) fallen gelassen haben, wird es ohne Wirtschaft nicht gehen.

Die Unternehmen müssen liefern

Ungeachtet der Notenbankinterventionen preisen die Aktienmärkte derzeit die Überwindung von Covid-19 und die Beendigung der historisch einmaligen Lockdown-Maßnahmen ein – sowie ein Wiederanspringen der Konjunktur in der zweiten Jahreshälfte. Zusammen mit den konjunkturellen Hilfspaketen (Wiederaufbaufonds) sogar heute illusorisch anmutende Wachstumsraten für das kommende Jahr. Ein Teil davon wird eintreten, denn wenn man pandemiebedingt zwei Drittel der werktätigen Bevölkerung über mehrere Wochen und in Zeitzonen verschoben über den Erdball in häusliche Quarantäne nimmt, so muss es aufgrund des Basiseffekts gewaltige Steigerungsraten, zumindest gegenüber dieser Periode geben. Das Problem ist nur die Höhe der dann erreichbaren Wirtschaftsleistung und die damit verbundenen Unternehmensgewinne. Wird die Konjunkturerholung ein spiegelverkehrtes Wurzelzeichen, wie Professor Sinn es kürzlich in einem Interview gemutmaßt hat? Jedenfalls können Federal Reserve und US-Regierung nicht für längere Zeit einen Teil der 26 Millionen Unternehmen in den USA und eventuell 25 und mehr Millionen Arbeitslose für längere Zeit unterstützen, ohne dass dies Auswirkungen auf die Kapitalmärkte hätte. Da würden sich schon einmal billionenschwere asiatische, arabische und europäische Staatsfonds aus US-Anlagen verabschieden.

Aktienmärkte: Mean Reversion oder Rückkehr zum Mittelwert

Es ist das Phänomen in vielen Bereichen des menschlichen Lebens: Übertreibungen führen zu Dämpfern, Stimmungen wechseln von „Himmelhoch jauchzend hin zu Tode betrübt“, selbst das Wetter ist ungeachtet der spürbaren Klimaveränderung enantiodrom. Auf Hitzewellen kommen die Kälteeinbrüche. Und die Aktienmärkte? In allen sieben Rezessionen seit dem 2. Weltkrieg wurden Kursübertreibungen korrigiert. Die größte war eindeutig die Dotcom-Blase mit den Kursübertreibungen bei Dax 8000, einem KGV über 30, und einer Telekom bei sagenhaften 104 Euro und was folgte darauf? Der größte Kurseinbruch deutscher Aktien um 72 Prozent bis auf 2200 Punkte, Regression zum Mittelwert und dabei eine Übertreibung nach unten, so wie es vorher eine nach oben gegeben hatte. Sollte so etwas durch die Notenbanken künftig verhindert werden können? So etwas funktioniert nur in der Theorie. 279 Staatsbankrotte weltweit in den letzten 200 Jahren sprechen eine andere Sprache.

Wie teuer sind die Aktienmärkte derzeit

Die (bisherigen) Bewertungen der Aktienmärkte – Dax-KGV 17 und 22 beim S&P 500 sind recht abstrakte Kennziffern, denn sie glätten eine längere Periode und gehen von einer optimistischen Entwicklung aus. Die Gewinnsituation der Unternehmen im aktuellen Quartal schraubt die Aktien-KGVs in ganz andere Dimensionen, schließlich wird die aktuelle (und kurzfristige?) Rezession in Q2 die tiefste in der jüngeren Wirtschaftsgeschichte. Damit es auf das ganze Jahr bei solchen Bewertungen bleibt, muss sich im zweiten Halbjahr Gewaltiges tun, vor allem müsste Covid-19 verschwinden.

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