Der Kampf zwischen Bullen und Bären wurde selten so leidenschaftlich ausgefochten wie in der Corona-Krise – dabei reicht ein nüchterner Blick auf die Fakten, um zu belegen, wie wirksam der Fed-Put auf die Aktienmärkte ist.
Warum die Aktienmärkte ein V ausbilden
Wie bei einem Hochseilartisten fängt das Sicherheitsnetz den wagemutigen Künstler auch nicht gleich wenige Zentimeter unter dem Seil auf. Zunächst fällt er ein paar Meter in die Tiefe. Dies fühlt sich für den Artisten wie ein freier Fall an und das Publikum bekommt einen Anflug von Panik. Doch dann greift das Sicherheitsnetz – mit Zeitverzögerung.
Genauso verhielt es sich im Zuge der Corona-Pandemie ab Ende Februar dieses Jahres mit den Aktienmärkten. Zunächst stürzte der Artist, also die Kurse, vom Seil, dann kam Panik auf und erst dann griff das Netz in Form des Notenbank-Puts. Diese Kausalität ist auch zwingend, weil der Artist (die Aktienmärkte) andernfalls sich und andere mit in den ökonomischen Abgrund reißen würden.
Diese Kausalität war bereits in früheren Krisen, von der LTCM-Krise über das Platzen der New-Economy-Bubble, 9/11, die Weltfinanzkrise und die sich daran anschließende Eurokrise zu beobachten. Seitdem ist die Fallhöhe des Artisten und damit die des Weltwirtschaftssystems noch höher geworden. Damit ist auch klar, dass die weltweiten Notenbanken diesen Balance-Akt nicht ohne verstärktes Sicherheitsnetz zulassen und dieses Netz noch dichter unter dem Markt gespannt wird.
Die Verwunderung vieler Analysten und Anleger, warum die Aktienmärkte in Anbetracht der Dimension des volkswirtschaftlichen Schadens, der Zerstörungen in den Unternehmensbilanzen und den extrem hohen Unsicherheiten durch Covid-19 nicht mindestens noch weitere 20 bis 40 Prozent tiefer notieren, zeigt, dass dieser Überlebensmechanismus unseres heutigen, von Notenbank dominierten Finanzsystems noch nicht vollumfänglich verstanden wurde.
Das Missverständnis der Perma-Bären hinsichtlich der Aktienmärkte
Das Missverständnis zwischen Bullen und Bären entsteht dabei lediglich durch das Time-Gap, also die Zeitverzögerung zwischen dem Absturz der Aktienmärkte und dem Erreichen der Auffangzone. Die Bären interpretieren den dynamischen Crash der Kurse als Beginn eines längst überfälligen und ultimativen Crashs mit zeitlich großer Ausdehnung.
Die Bullen, die sich auf das Sicherheitsnetz durch den Fed-Put verlassen und ihre Nerven behalten, sehen den Fall als Chance, denn die anschließende V-förmige Erholung ist weder unvorhersehbar noch überraschend. Lediglich die Reaktionsgeschwindigkeit der Geldpolitiker und der von ihnen finanzierten fiskalischen Maßnahmen ist schwer kalkulierbar. Dass diese Kausalität zwingend ist, dafür gibt es mittlerweile genügend der oben genannten Präzedenzfälle.
Auffällig ist, dass mit jeder neuen Krise die Gegenmaßnahmen schneller implementiert werden und in ihrer Dimension größer ausfallen. Umso gefährlicher die Fallhöhe des Systems und der potenzielle Schaden für den Artisten (das Weltfinanzsystem und die Realwirtschaft), umso akribischer achten die Notenbanken darauf, dass die Stabilität des Netzes zunimmt und es auf der zeitlichen Ebene noch engmaschiger gewebt ist (steigende Reaktionsgeschwindigkeit bei größere Dimension der Maßnahmen).
Die Bazookas sind gebaut, geladen und zum Abfeuern bereit
Alle vor der aktuellen Krise bereits vorhandenen geld- und fiskalpolitischen Instrument, auch die Unkonventionellen, sind bereits erprobt oder erdacht. Man könnte auch sagen: Die Bazookas sind gebaut, geladen und zum Abfeuern bereit. Dies ist bereits zum Teil geschehen und an den Entwicklungen der Aktienmärkte auch absehbar. Andernfalls hätten wir tatsächlich den totalen Crash – nicht nur der Aktienmärkte.
Dabei besteht das Sicherheitsnetz unter den Märkten heute nicht ausschließlich aus dem sogenannten Fed-Put, bezogen auf die US-Notenbank Fed, sondern aus mehreren Sicherheitsnetzen. Diese werden gespannt von allen wesentlichen Notenbanken der Welt, Regierungen sowie von supranationalen Organisationen, wie zum Beispiel dem IWF, der Weltbank, dem ESM oder der BIZ.
Alle gennannten Akteure zusammen können unlimitiert Kredite vergeben, Kreditstandards lockern, Kredite erlassen, Schulden aufkaufen, Vermögenswerte erwerben und Transferleistungen in nominal unbeschränkter Höhe verteilen (Steuerrückzahlung, Konsumschecks, Kurzarbeitergeld, bedingungslose Grundeinkommen, Helikoptergeld etc.).
Sparen wird wohl auch bald sanktioniert
Sollten die Empfänger des Geldes es wagen, die staatlichen Alimente dauerhaft zu sparen, kann diesem Bedürfnis mit zeitlich limitierten Konsumgutscheinen oder Schwundgeld entgegengewirkt werden, um der Geldumlaufgeschwindigkeit Beine zu machen.
Die Illusion, dass die verantwortlichen Politiker noch Hemmungen haben, Tabus zu brechen oder Recht zu beugen, sollte man als Marktteilnehmer fahren lassen. Die Alternative zu „Whatever it takes“ ist einfach zu grausam. Das wissen alle Akteure. Also wird dieses System den Weg aller ungedeckten Geldsysteme gehen, was für die Aktienmärkte als Handelsplätze für Sachwerte in einer heute noch kaum vorstellbaren Katastrophenhausse mit extremen nominalen Kursanstiegen enden wird.
Fazit:
In dieser Gemengelage á la Baisse zu wetten, kann temporär erfolgreich sein und macht als reine Absicherungsstrategie als Teil des Portefeuilles gegen schnell und stark fallende Aktienmärkte auch Sinn. Eine langfristige Strategie wider die digitale Notenpresse und den Fed-Put ist aber zum Scheitern verurteilt. Gegen die unendlich verfügbare Fiat-Geldmenge kommt man selbst als stärkster Bär nicht an.
Auf der anderen Seite ergeben sich Chancen, an der beschriebenen Kausalität zu partizipieren. Dabei kommt den Anlegern zugute, dass die Märkte sich direktional asymmetrisch verhalten: Nach oben gibt es theoretisch kein Limit – nach unten schon.
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