Die Anleger an der Wall Street haben es am letzten Tag noch einmal geschafft: bei dünnen Umsätzen hievte man die verschiedenen Aktienmärkte der USA, trotz weiterer anfänglicher Gewinnmitnahmen, ins Plus. Das gute Jahresergebnis ist „im Kasten“, ebenso wie die Jahresboni vieler aktiver Vermögensverwalter.
Die meisten US-Händler waren im Urlaub, die Umsätze vor dem Jahreswechsel entsprechend gering. Insgesamt wurde es doch nicht mehr das beste Anlagejahr seit 1997. Der S&P 500 kletterte auf Jahressicht um 28,90 Prozent nach oben, der Nasdaq sogar um 35,24 Prozent, was für beide Indizes das beste Ergebnis seit dem Jahr 2013 darstellt. Der Dow Jones wurde am letzten Tag einmal mehr durch sein Schwergewicht Boeing belastet, deshalb fällt sein Plus mit 22,34 Prozent deutlich geringer aus: der Index hatte demzufolge „nur“ das beste Jahr seit 2017. US-Präsident Trump hätte sich als Benchmark für seine Wirtschaftspolitik doch vielleicht besser einen anderen Index aussuchen sollen..
Doch unter welchen Vorzeichen startet man in das neue Börsenjahr?
Aktienmärkte: Die Rückenwindfaktoren (Tailwinds)
Da gibt es übergeordnet erst einmal die beiden Haupttreiber für die Aktienmärkte: Donald Trump und die Federal Reserve. Der US-Präsident hat zweifellos erkannt, mit welchen Mitteln er die Aktienindizes pushen kann, um in der Endphase des Wahlkampfes den Wählern und den Demokraten die gewaltige Performance der Indizes seit seinem Amtsantritt aufzeigen zu können. Ein weiteres Beispiel dafür ist die Terminierung des Phase 1-Deals auf den 15. Januar 2020, medienträchtig in der US-Hauptstadt. Dazu seine Ankündigung, bereits kurz darauf die Verhandlungen für den Phase 2-Deal voranzutreiben. Ob er damit mittelfristig Erfolg hat? Die dahinter stehenden Interessenkonflikte sind jedenfalls für beide Seiten erheblich größer, als im anstehenden Landwirtschaftsdeal.
Die US-Notenbank tritt unverändert als große Stütze auf. Man flutet weiter den Repo-Markt mit dreistelligen Milliardensummen, kauft kurze Staatsanleihen zur Versteilerung der Zinskurve, was insbesondere dem für die USA so bedeutsamen Bankensektor zugute kommt und man wird zinspolitisch erst einmal die Füße still halten. Die Fed-Bilanz wird nicht mehr sehr lange brauchen, um das Niveau des Sommers 2018 mit 4,4 Billionen Dollar zu erreichen, nachdem man es erst mühsam über zwei Jahre abgesenkt hatte. Donald Trumps Schuldenpolitik lässt keine andere Wahl.
Aktienmärkte: Die Gegenwindfaktoren (Headwinds)
Die Kursentwicklung der Aktienmärkte hat seit ihrem großen Anstieg von Anfang Oktober 2019 eine Reihe von Indikationen entwickelt, die nach einer Korrektur schreien:
- Der S&P 500 ist in den letzten 11 von 13 Börsentagen gestiegen und bereits fünf Wochen hintereinander.
- Der Index hat sich von seiner trendbestimmenden 200-Tageslinie (2965 zu 3224 Punkte) weit abgesetzt, dies war in den letzten Jahren nur einmal so extrem – im Januar 2018.
- Der Fear&Greed-Index beschloss das Jahr bei 93 Punkten, dem höchsten Niveau seit 2017.
- Der Relative Stärke-Index (RSI) des S&P 500 hatte vor wenigen Tagen mit 78 das höchste Überkauftniveau der letzten zwei Jahre erreicht.
- Das Put/Call-Verhältnis an der Chicago Board Options Exchange (CBOE) ist in den letzten fünf Handelstagen ebenso auf das niedrigste Niveau seit zwei Jahren abgesunken. Die Anleger sind extrem bullish, wieder ein Anzeichen von extremer Gier und zugleich von Sorglosigkeit.
- Die aktiven Fondsmanager halten einer Untersuchung von Bank of America Merril Lynch zufolge, eine deutliche Übergewichtung in Aktien, weit über dem Durchschnitt. Diese dürften sie auch zum Jahresende nicht zurückgefahren haben, ansonsten hätte es stärkere Kursrückgänge an den Börsen geben müssen. Es fehlt also Kapital, sollte es zu Kursreaktionen kommen.
Kurzum: Viele Indikatoren erinnern an den Januar 2018, an dem es ab dem 26. des Monats zu heftigen Kursrückschlägen kam.
Fazit
Auch wenn es möglicherweise zu Jahresbeginn durch das frische Geld und den üblichen Optimismus zum Jahresanfang noch zu Mittelzuflüssen an die Aktienmärkte kommen sollte, liegt doch eine Korrektur schwer in der Luft. Fondsmanager könnten nach dem goldenen Börsenjahr 2019 versucht sein, erst einmal ein paar Chips vom Tisch zu nehmen. Der S&P 500 ist allein seit seinem Oktober-Tief von 2881 Punkten auf 3234 Punkte gestiegen – in drei Monaten.
Dazu die extremen Indikatoren, die auf Gier und Sorglosigkeit hindeuten. „Wait and see!“, könnte das Motto lauten, denn die Unternehmensergebnisse für Q4 des abgelaufenen Jahres, in Verbindung mit den dabei präsentierten Ausblicken, sollen die Riesenschere zwischen Aktienbewertungen und Ergebnissen in naher Zukunft kleiner machen.
Hat Donald Trump den Termin für den ominösen Phase 1 -Deal absichtlich auf die Monatsmitte gelegt, um Gewinnmitnahmen der Aktienmärkte zu verhindern? Es wird gleich zu Jahresbeginn sehr spannend. Ein Fear&Greed-Index von über 90 hat jedenfalls bisher nicht lange Bestand gehabt..
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