Rückblick auf die vergangene Woche
Ursula von der Leyen will als grüne EU-Kommissions-Präsidentin in die Geschichte eingehen. Sie hat Nachhaltigkeit und Klimaschutz als oberste und wichtigste Priorität ihrer Amtszeit ausgerufen.
Wie kompliziert es ist, große Visionen in die harte politische Realität umzusetzen, erlebt von der Leyen bereits in ihren ersten Amtstagen. Aus ihrem frisch bezogenen Kommissionssessel heraus durfte sie vergangene Woche mitverfolgen, wie im benachbarten EU-Parlament die Diskussion um das Green-Finance-Gesetz eskaliert. Der Anlass: Es geht dort um nichts weniger als die verbindliche Definition dafür, wann eine Finanzanlage als „grün“ bezeichnet werden darf.
Eigentlich sollte das kein Problem sein. Gemäß des von der EU unterzeichneten Klimaabkommens gelten fossile Brennstoffe als CO2-Killer und damit als Auslaufmodell.
Atomkraft ist laut UN-Agenda 2030 ebenfalls keine Lösung. Die Agenda bezieht sich in ihrer Argumentation auf zahlreiche Studien, die belegen, dass Atomkraft nicht nur aus ökologischen, sondern auch aus ökonomischen Gründen problematisch ist. Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) stellt beispielsweise fest, dass der hohe Bedarf an Forschung und Entwicklung, Kapitalinvestitionen, die Versicherung gegen Unfallrisiken und die Endlagerung der Abfälle Atomkraft „gesamtwirtschaftlich unrentabel“ machen.
Trotzdem werden derzeit in Brüssel sowohl Gas- als auch Kernkraftwerke von den jeweiligen Lobbyverbänden sogar als Teil der Lösung verkauft, um das siebte UN-Nachhaltigkeitsziel „Nachhaltige und moderne Energie für Alle“ zu erreichen. Letztlich ist dies der Grund, warum die Verhandlungen zum Green-Finance-Gesetz stocken. Denn Deutschland und Frankreich wollen die Definition für grüne Investments im Sinne der Interessenverbände der Energiewirtschaft in ihren Ländern erweitern: Frankreich fordert, dass Investitionen in Atomkraft als „grün“ gelten. Deutschland assistiert den französischen Vorschlag – mit der Ergänzung, dass auch Investitionen in Gaskraftwerke als „grün“ bezeichnet werden dürfen.
Für nüchterne Außenstehende mit klarem Verstand mag das absurd erscheinen. Doch die Chancen, dass Berlin und Paris ihren Willen bekommen, stehen gar nicht so schlecht. Zum einen können die beiden Länder darauf hoffen, die entsprechende Stimmgewalt im Parlament zusammenzubekommen. Zum anderen wollen die Finnen, die ihre Ratspräsidentschaft unter das Motto Nachhaltigkeit gesetzt haben, das EU-Gesetz für grüne Finanzprodukte unbedingt durchbringen – notfalls auch mit Abstrichen, aber in grellem Scheinwerferlicht der Medien. Das wiederum dürfte dann auch auf Ursula von der Leyen als grüne Kommissionspräsidentin abstrahlen. Ob die Beleuchtung dann aus einer Solaranlage, aus dem Kernkraftwerk Tihange oder aus dem Gaskraftwerk Drogenbos stammt, macht dabei keinen Unterschied mehr.
Ausblick auf die wichtigsten Termine in dieser Woche
Am Dienstag veröffentlicht die Autodata Corp. die aktuellen Zahlen zu Fahrzeugverkäufen in den USA. Die Zahl gilt als Indikator für das Vertrauen der Verbraucher in die US-Wirtschaft. Doch Vorsicht: Dass die Verkaufszahlen schon lange sehr hoch sind, ist mittlerweile zu einem Risikofaktor geworden. Laut Daten der Federal Reserve Bank von New York belaufen sich die Autokredite in den USA mittlerweile auf die Rekordsumme von 1,3 Billionen Dollar. Das sind 5,6 Prozent der Wirtschaftsleistung. Viele Kredite sind längst nicht mehr gedeckt. Denn das übermütig hohe Vertrauen der US-Verbraucher in die weitere positive Entwicklung der US-Wirtschaft hat dazu geführt, dass immer mehr Autobesitzer überschuldet sind. Sollte die Konjunktur in den USA entgegen der Erwartung der Verbraucher ins Schlingern kommen, könnte das nicht nur die betreffenden Autobesitzer, sondern auch ihre Gläubiger in die Bredouille bringen. Man mag es kaum aussprechen: Aber es ist dasselbe Prinzip, das zum Platzen der US-Immobilienblase 2007 geführt hat – sogar mit denselben Folgeeffekten. Auch Autokredite wurden in vergangenen Jahren vermehrt in ABS-Produkte verpackt und als vermeintlich sichere Investments in die Welt hinaus verkauft. Man kann nur hoffen, dass nicht zu viel German stupid Money drinsteckt.
Am Mittwoch sorgt hoffentlich die von der Automatic Data Processing Inc (ADP) veröffentlichte Änderung der Beschäftigten in den USA für gute Stimmung. Der Trend ist noch positiv und stabil. Es wäre gut, wenn das noch eine Zeit lang so bliebe. Der Grund: Siehe oben.
Am Donnerstag veröffentlicht die europäische Statistikbehörde Eurostat den Gesamtwert aller Waren und Dienstleistungen, die in der Eurozone hergestellt werden. Das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts, auch BIP genannt, wird sich zum Jahresende wohl auf 1,2 Prozent für das Jahr 2019 einpendeln. Immerhin: Es ist ein positiver Wert, der Mut für das kommende Jahr macht.
Am Freitag trifft sich die Organisation Erdöl exportierender Länder (OPEC) in Wien. Früher waren diese Treffen von hoher Bedeutung. Seit die USA als größter Gas- und Öl-Exporteur den Markt nach ihren Regeln gestalten, darf man den Emissären der OPEC-Staaten wenigstens einen netten Abend und ein schönes Wochenende in der ehemaligen österreichischen Kaiserstadt wünschen. Insidertipp für gestresste OPEC-Sitzungsteilnehmer: „1 Jahr Katerfrühstück. feat. I am Bam“ im Camera Club in der Neubaugassse. Wer es besinnlicher mag: Auch die Wiener Sängerknaben treten am Wochenende auf.
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