Zentrale Erkenntnisse
- Die US-Renditekurve ist ein gutes Rezessionsbarometer im
Zusammenspiel mit anderen Faktoren wie schwache Konsumneigung,
nachlassende Inflation, rückläufige Jobangebote oder schwache
Beschäftigungslage. Da gegenwärtig aber nur wenige dieser Indikatoren
anzutreffen sind, erscheint die Aussagekraft der Renditekurve als
Rezessionsbarometer zum jetzigen Zeitpunkt begrenzt. - Weltweit ist das Volumen an Anleihen mit Minusrendite auf rund 15
Billionen Dollar hochgeschnellt. Dies ist nicht nur symptomatisch für
ein schwaches Wirtschaftswachstum. Es ist auch ein Indiz für die
unzureichende Nachfrage und übermäßige Verschuldung sowie für
Zentralbanken, die ihr Pulver weitgehend verschossen haben. - In dieser Gemengelage mögen sich manche Anleger fragen, ob für
Anleihen noch Platz in ihren Portfolios ist. Dass festverzinsliche
Wertpapiere als Quelle laufender Erträge an Bedeutung verloren haben,
steht außer Zweifel. Aus unserer Sicht aber spielen Anleihen nach wie
vor eine wichtige Rolle, wenn es um die Diversifizierung geht – zumal in
Zeiten zunehmender Risikoscheu.
Ist die US-Renditekurve nach wie vor ein verlässlicher Indikator für eine heraufziehende Rezession?
In Verbindung mit anderen Faktoren wie schleppende Konsumneigung,
sinkende Inflation oder schwache Arbeitsmarktzahlen ist die
US-Renditekurve ein gutes Rezessionsbarometer. Aber all diese Daten
zeichnen ein uneinheitliches Bild. Aktuell liefert die Kurve vermutlich
einen guten Hinweis darauf, dass sich die Konjunktur abkühlt, was wir ja
auch derzeit erleben. Aber Vorbote einer Rezession ist sie zum
gegenwärtigen Zeitpunkt sicher nicht.
In der aktuellen Phase zeigt die Kurve ein etwas eigentümliches, im
laufenden Zyklus von den Zentralbanken beeinflusstes Verhalten.
Obendrein besteht das Instrumentarium der Währungshüter bei niedrigen
Inflations- und Wachstumserwartungen tendenziell im Kauf von Anleihen
und dem Rückgriff auf Zinssenkungen. Verbunden mit ökonomischen
Variablen sind sie wirkungsvolle Hilfsmittel, die eine Abflachung der
Renditekurve bewirken können.
Hat die anhaltende Negativzinspolitik der EZB die gewünschte
Wirkung auf die Wirtschaft oder wird es Zeit, dass die Fiskalpolitik den
Stab übernimmt?
Die Märkte zeigen uns deutlich, dass der Staat einschreiten und die
Wirtschaft ankurbeln muss. Dennoch wird die Europäische Zentralbank
(EZB) tun, was sie tun muss und dazu vermutlich die gleichen Hebel
betätigen wie beim letzten Mal. Allein schon deshalb, weil ihr keine
anderen Mittel zur Verfügung stehen. Wird sie damit Erfolg haben? Das
glaube ich nicht, denn schon beim ersten Mal hat ihr Maßnahmenpaket die
gewünschte Wirkung verfehlt. Zudem haben Negativzinsen unerwünschte
Nebenwirkungen, wie zum Beispiel, dass sie die Rentabilität der Banken
schmälern. Damit wird die Kreditschöpfung, die vom Bankensystem ausgeht,
empfindlich gestört und bricht mit den Negativzinsen weiter in sich
zusammen. Schlussendlich muss die private Kreditschöpfung in die Bresche
springen und die Wirtschaft aus der Flaute herausholen.
Wie konnte es zu negativ verzinsten Anleihen im Volumen von 15 Billionen US-Dollar weltweit kommen?
Diese Zahl lässt aufhorchen, aber die Negativzinsen kamen nicht über
Nacht, sondern haben einen langen Weg von etwa 30 Jahren hinter sich.
Sie sind nicht nur symptomatisch für das aktuell magere Wachstum.
Vielmehr hat eine über längere Zeit unzureichende Nachfrage in
Verbindung mit übermäßiger Verschuldung die Kreditvergabe gebremst, die
es heute bräuchte, um das Wachstum auf Trab zu bringen. Gepaart mit
einer wirkungslosen Zentralbankpolitik hat das die Weichen für
Minuszinsen gestellt. Heute greifen die Zentralbanken zu Zinssenkungen
als einem der wenigen Mittel, die ihnen noch bleiben. Haben sie erst
einmal die Nullzinsschwelle erreicht, bleibt ihnen als Strategie nur der
Kauf von Anleihen, weitere Zinssenkungen oder die Fortsetzung
quantitativer Lockerungsprogramme auf absehbare Zeit.
Diese Probleme sind struktureller Natur, weshalb eine plötzliche
Umkehrung der Trends – außer vielleicht kurzzeitig bei der Konjunktur –
wohl kaum zu erwarten ist. Einigen mag es seltsam erscheinen, aber auch
an Negativzinsen werden wir uns gewöhnen müssen.
Welche Auswirkungen auf die Marktliquidität hat die Rückkehr zu einer ultralockeren Geldpolitik?
Billiges Geld verbinden viele mit einer Zunahme der Liquidität, die
jedoch ein wirtschaftliches Phänomen ist. Eine entgegenkommende
Zentralbankpolitik hat häufig Marktverzerrungen zur Folge. Über das
quantitative Lockerungsprogramm wird das Angebot absorbiert, was de
facto die Liquidität am Markt verringert. Dabei darf aber Illiquidität
nicht mit Schwäche verwechselt werden. Illiquidität kann auch
bedeuteten, dass die Kurse steigen, da die Anleihekäufe
Marktverzerrungen hervorrufen und darüber die Kurse anfachen.
Da quantitative Lockerungen zu den wichtigsten Instrumenten der
Währungshüter gehören, wird die Liquidität am Markt auch im nächsten
Jahr ein schwieriges Thema bleiben. Anleger sollten sich auf
Volatilitätsschübe gefasst machen, darauf aber nicht überreagieren. Viel
zu leicht kann die Angst in solchen Phasen bei der Entscheidungsfindung
die Oberhand gewinnen. Sinnvoller ist es, sich in diesen Zeiten auf den
mittel- bis langfristigen Horizont zu konzentrieren. Bei den meisten
dieser Ereignisse sollten Anleger sich zunächst fragen, ob eine
Veränderung der Fundamentaldaten oder der Marktliquidität vorliegt. Bei
Letzterem sollten sie gelassen bleiben.
Ist für Anleihen im aktuellen Umfeld noch Platz in den Portfolios der Anleger?
Wenn ich mir die aktuellen Bewertungen von Anleihen anschaue, fällt
es schwer zu argumentieren, dass sich angesichts von Nullzinsen viel
Aufwärtspotenzial bietet. Gleichwohl können die Renditen von Anleihen
noch weiter in den Minusbereich fallen, und damit kann es auch noch
Kapitalwachstum geben. Die Realität für Anleger sieht jedoch so aus,
dass sie ihre Renditeerwartungen zurückschrauben sollten. Ich empfehle
ihnen daher, ihre Renditeerwartungen auf den Prüfstand zu stellen, und,
was ebenso wichtig ist, sich zu fragen, warum sie eigentlich Anleihen
halten. Als Rentenanleger stelle ich mir selbst zunächst oft die Frage,
wie viel Ertrag ich eigentlich haben möchte, wie viel Volatilität ich
aushalten kann und wie viel Diversifizierung im Verhältnis zu den
anderen Vermögenswerten im Portfolio ich anstrebe?
Die Erträge aus Anleihen sind derzeit eher niedrig. Aber es gibt nach
wie vor Nischen mit ansehnlichen laufenden Erträgen, zumal wenn Anleger
ein gewisses Maß an Volatilität tolerieren können. Beispiele sind
Schwellenländeranleihen, Investment-Grade-Unternehmensanleihen und
Hochzinspapiere. Zudem tragen die nach wie vor niedrigen Ausfallraten
dazu bei, dass einige dieser Anlageklassen attraktiv bleiben.
Kreditverbriefungen sind eine weitere gute, relativ defensive
Renditequelle. Aber zweifellos ist das Potenzial für Nominalrenditen in
allen Segmenten geringer geworden.
Zum Thema Diversifizierung höre ich seit Jahren, dass Anleihen in
dieser Hinsicht keine Vorteile mehr bieten. Aber in einem Umfeld mit
wachsender Risikoscheu erholen sich Anleihen in der Regel. Deshalb sind
sie immer noch eine gute Möglichkeit, das Risiko breiter zu streuen. Ein
Blick auf die realistischen Renditen der verschiedenen
festverzinslichen Wertpapiere legt nahe, dass die meisten von ihnen nach
wie vor ihre Berechtigung in einem breiter aufgestellten Portfolio
haben.
Die Realität sieht so aus, dass die Renditeerwartungen vermutlich
sinken werden. Ich empfehle Anlegern daher, ihre Renditeerwartungen auf
den Prüfstand zu stellen, und, was ebenso wichtig ist, sich zu fragen,
warum sie eigentlich Anleihen halten.
Jim Cielinski, Global Head of Fixed Income
Der Beitrag Janus Henderson Investors: Wertpotenzial bei Anleihen aufspüren – trotz Negativzinsen erschien zuerst auf Der Assetmanager.
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